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Ein Streitgespräch über Präsident Erdoğan

von St. Pauli und Double-G

 

Ein Streitgespräch über Präsident Erdoğan

von St. Pauli und Double-G (Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

(Die aufgeführten Argumente geben ausschließlich die Meinung der beiden Diskutanten, nicht aber die der Haftnotizen-Redaktion wieder.)


St. Pauli:

Den Leuten in der Türkei geht es wirtschaftlich viel besser, seitdem Erdoğan an der Regierung ist.

Double-G:

Überhaupt nicht! Die Türkei ist wirtschaftlich ganz unten, und es gibt eine hohe Inflation. Das Geld ist nichts mehr wert. Und weil sich die Leute im Supermarkt kaum noch was leisten können, leben viele vom Eigenanbau, weil die Preise so hoch sind. Außerdem gibt es inzwischen gar keine Mittelschicht mehr – die Armen sind noch ärmer geworden, und die Reichen noch reicher!

St. Pauli:

Aber es wurden Ölvorkommen im Schwarzen Meer gefunden, das wird gut für die Wirtschaft sein! Es ist ja Geld da – die ganze Infrastruktur und die Straßen sind viel besser ausgebaut, seitdem Erdoğan Präsident ist.

Double-G:

Das ging aber nur, weil Erdoğan viele Staatsunternehmen privatisiert und an Investoren verkauft hat – die haben die Straßen gebaut, nicht die türkische Regierung! Erdoğan hat sich selbst einen Palast gebaut – von welchem Geld? Früher war er wohlhabend, jetzt ist er reich. Wie geht das, wenn er nicht korrupt ist?

St. Pauli:

Er hat in den letzten 20 Jahren so viel für die Türkei getan, dafür hat er sich seinen Wohlstand auch mehr als verdient.

Double-G:

Aber Erdoğan bringt zuerst seine eigene Familie in Regierungspositionen, und die verdienen dann zehnmal mehr als andere. Er hat seinem Sohn grade eine Yacht für 170 Millionen gekauft. Wie kann das gehen? Und warum zahlen Millionäre in der Türkei eigentlich immer noch so wenig Steuern?

St. Pauli:

Erdoğan ist stark und zeigt, dass er sich gut durchsetzen kann. Das ist doch gut! Er kann mit den großen Politikern auf der Welt mithalten.

Double-G:

Aber er ist ein Diktator, er erlaubt keine Kritik und auch keine Meinungsfreiheit. Mich erinnert er an Trump! Und die Türkei hat immer noch die Todesstrafe.

St. Pauli:

Aber die Leute haben ihn gewählt. Weil er ein guter Showman ist und gut reden kann. Und weil er wehrhaft ist und sich nichts gefallen lässt. Er präsentiert die Türkei als starkes Land.

Double-G:

Vor allem die Türken in Deutschland haben ihn gewählt, die gar nicht selbst in der Türkei leben. Und es ist gar nicht klar, wie viele Leute ihn überhaupt gewählt haben! Wahrscheinlich ist er nur deshalb noch an der Macht, weil er Wahlbetrug begangen hat.

St. Pauli:

Wenn du dir mal die Flüchtlinge in der Türkei anguckst – die haben dort viel besser Möglichkeiten. Hier darfst du als Flüchtling erstmal gar nichts. Dort können sie sofort arbeiten und sich was aufbauen.

Double-G:

Aber es geht ihm ja vor allem um sich selbst. Er lässt überall die Bilder von Atatürk abhängen und Statuen von sich aufstellen. Außerdem wird die Türkei unter ihm immer religiöser. Erdoğan ist für eine Kopftuchpflicht und übt dafür immer mehr Druck auf die Leute aus. Die Türkei macht einen Rückschritt.

St. Pauli:

Aber es ist doch gut, dass die Hagia Sophia in Istanbul jetzt wieder eine Moschee ist. Eine Moschee ist zum Beten da und kein Museum!

Double-G:

Mir ist das egal. Ich bin sowieso Atheist.

 


Bildnachweis: Foto Hahnenkopf © suju auf Pixabay; weitere Bearbeitung JIZ Hamburg | Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

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