Der Hamburger Jugendserver

Bewusste Mediennutzung

Kannst du ohne Handy?

 

In Kürze stehen die Märzferien an. Hoffentlich wirst du all die Dinge machen können, die du dir vorgenommen hast. Oder auch nichts. Nichtstun kommt im Schulalltag ja ohnehin zu kurz. Aber tust du denn wirklich nichts, beim Nichtstun? Oder hast du dein Handy in der Hand und scrollst beständig durch Instagram, Tiktok oder guckst stundenlang YouTube Videos? Nichtstun ist gar nicht so einfach. Ich meine, wer kennt das nicht: Eigentlich wolltest du dein Smartphone schon längst weggelegt haben, aber irgendwas zieht deine Aufmerksamkeit wie magisch auf das Display.


 

Was steht dir denn im Weg, das Handy für eine (kurze) Weile aus der Hand zu legen oder die Spielkonsole auszumachen?

📌 Fear of missing out (FOMO)

Hast du Angst etwas zu verpassen? Angst, dass dann just, wenn du das Handy weglegst, der neueste Trend viral geht und du es verpasst? Dass deine Gaming-Kumpels die legendären Dungeons schlagen und du fehlst? FOMO kann dazu führen, dass du dich dazu verpflichtest fühlst, immer up to date oder präsent zu sein, um sicherzustellen, dass du nichts Wichtiges verpasst. Das kann dich ganz schön unter Druck setzen. Und darüber vergisst du zuweilen, anderen Interessen und Bedürfnissen nachzugehen.


📌Rabbithole

Die Möglichkeiten der Online-Aktivitäten wie soziale Medien, Videospielen, Streaming, Online-Shopping, Chatten sind fast unermesslich. Hier ein interessanter Link, da ein neues Video, ein spannender Artikel oder die neue Serie vom Streamingdienst, die wiederum zu einer weiteren führt, und so weiter. Du gerätst wie Alice im Wunderland immer tiefer in immer neue Welten und entdeckst Faszinierendes. Und steckst tief im Rabbithole. Da bleibt schon mal was auf der Strecke. Zum Beispiel die Ordnung im eigenen Zimmer oder das Spielen mit dem kleinen Geschwister. Das Internet ist ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags und kann ja auf viele positive Weisen genutzt werden. Aber es kann auch zu viel werden und überfordern. Das kann sich ungesund auf deinen Körper, deine Psyche, Freundschaften oder andere Lebensbereiche auswirken.


📌Selbstoptimierung

Du bist sogar viel unterwegs, triffst Freunde und Freundinnen und erlebst Neues. Aber das Handy und die Smartwatch sind immer dabei. Schließlich müssen die 10.000 Schritte gegangen sein, der Kalorienumsatz stimmen und dein Erfolg im Bankdrücken mit den Fitness-Buddies geteilt werden. Wie soll das gehen ohne die Tracking-App, Social Media und die Fitnessuhr? Mit ihnen hast du alles unter Kontrolle. Vielleicht fühlst du dich unwohl, wenn du deine Devices nicht mitführst oder hast ein schlechtes Gewissen, wenn du lieber ein Eis als den grünen Smoothie zu dir nehmen möchtest. Ein übermäßiger Fokus auf Selbstoptimierung kann dazu führen, dass du nie mit dir selbst oder deinen Leistungen zufrieden bist. Das ständige Streben nach Optimierung und der Vergleich mit anderen kann dazu führen, dass du deine Grenzen überschreitest und deine körperliche und geistige Gesundheit gefährdest.


📌Selbstdarstellung

Teilst du gerne, was du erlebst, wo du gerade bist und mit wem du dich triffst? Das macht Spaß und generiert viele Likes und Follower. Außerdem nimmst du auch an anderen Leben teil, weil sie dich ebenso mitnehmen. Und das alles hast du im Handy überall dabei. Mitunter wirken die Leben der anderen so viel aufregender als deins und mehr Likes und Follower haben sie auch noch. Du suchst deshalb unentwegt nach DEM Abenteuer, dass sich gut ins Szene setzen lässt, nach DEM klugen Gedanken, den du teilen kannst oder DEM Outfit, dass einen Trend setzt. Ein übertriebenes Maß an Selbstdarstellung kann ganz schön anstrengend sein. Schließlich stehst du so ziemlich oft unter Beobachtung und vergleichst dich andauernd mit anderen. Da kann das eigene Körperempfinden und/oder das Selbstwertgefühl ganz schön ins Wanken geraten.


📌Bindungsstrategien der Anbieter

Handysektor: Warum ist es so schwer mit (Handy-)Spielen aufzuhören?

Den Anbietern jener Dienste, die du nutzt, ist daran gelegen, dich möglichst lange auf ihrer Plattform zu halten. Denn je länger du dich dort aufhältst, desto mehr Daten werden generiert. So können sie gezielt Werbung platzieren. Dazu nutzen sie Bindungsstrategien, die das Belohnungssystem im Gehirn ansprechen. Denn das setzt im Idealfall unter anderem das Glückshormon Dopamin frei. Du hast doch bestimmt auch mal diese Form von Glück verspürt, wenn du Likes und positive Kommentare auf deine Postings bekamst oder eine Quest erfolgreich abgeschlossen hast? Am Ende verbringst du mehr Zeit auf Social Media, als ursprünglich geplant oder gibst dein Taschengeld für die neue Mod aus, die du, nüchtern betrachtet, gar nicht so toll findest.

 

🌈Digital wellbeing

In der ein oder anderen Beschreibung hast du dich wiedergefunden? All diese Faktoren können dazu führen, dass du viel mehr Zeit Online verbringst, als gut für dich ist. Ok, das kann phasenweise ja auch voll ok sein. Du hast schließlich Ferien und wenn es Spaß macht, ist‘s erstmal nicht verwerflich. Es schadet aber nicht, dir dennoch bewusst zu machen, was die Gründe dafür sind, so viel Zeit am Handy zu verbringen. Denn nur so hast du Einfluss auf dein digitales Wohlbefinden (digital wellbeing) und kannst, wenn nötig, dein Nutzungsverhalten neu justieren.

☝ Exzessives Onlinesein kann Auswirkungen auf deine innere Ruhe haben, Schlafprobleme verursachen, deine Aufmerksamkeitsspanne verkürzen und du kannst dich überfordert fühlen. Deshalb ist es wichtig, eine gesunde Ausgeglichenheit bei der Mediennutzung zu finden und dabei hilft es, das Handy zeitweise beiseite zu legen.

 

Tipps für mehr digitale Balance:

Handysektor: Nudges – Das kannst du gegen die nervigen Anstupser tun!


👍 Funktionen überprüfen:

Dein Smartphone wird betriebssystemeigene Funktionen zur Steuerung der Bildschirmzeit haben. Diese können dir helfen, dein Nutzungsverhalten bewusst zu kontrollieren und die Onlinezeit und die Nutzung deines Smartphones zu begrenzen. Stelle Funktionen in Apps (z.B. Autoplay auf YouTube, Push-Nachrichten etc.) aus, die dich dazu bringen, immer wieder auf das Display zu schauen.


👍 Setze dir digitale Grenzen und mache deine eigenen Regeln:

Das kann zum Beispiel sein, dass du dein Smartphone nicht mit ins Badezimmer, zur Toilette und an den Esstisch nimmst. Bestimme einen Ablageort, wo es verweilt, solange du dich in den No Go-Areas aufhältst und versetze es in den Ruhemodus. Oder du nimmst dir jeden Tag eine Auszeit von 15 Minuten, in denen du das Nichtstun zelebrierst, auf dem Sofa chillst und Löcher in die Decke starrst – während das Handy außer Reichweite liegt.


👍 Ändere bewusst dein Surf-Verhalten:

Miste deine Social-Media-Accounts aus und entfolge jenen, die dir ein schlechtes Gefühl geben oder dich runterziehen. Schau dir mal bewusst andere Influencer und Influencerinnen und Kanäle in Social Media an, als solche die der Algorithmus vorgibt. Inspiration findest du zusammengestellt von handysektor

 

Außer Kontrolle…

Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) führt regelmäßig im Auftrag der DAK-Gesundheit eine Längsschnittstudie zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland durch. Die Ergebnisse zeigen, dass soziale Medien immer häufiger zur Sucht werden. Deutschlandweit sind rund 1,3 Millionen Minderjährige suchtgefährdet und ca. 360.000 junge Menschen erfüllen bereits Suchtkriterien. Ähnliches gilt aber auch für andere digitale Inhalte: Die SCHULBUS-Untersuchung 2021/22 ergab, dass unter den Hamburger Jugendlichen ca. elf Prozent eine problematische Internetnutzung und ca. fünf Prozent eine problematische Computerspielnutzung aufweisen.

Wenn du dich also nicht mehr erinnern kannst, wann du das letzte Mal einen Reallife-Kontakt hattest, draußen warst oder du zuletzt eine frische Buxe angezogen hast – solltest du dir Hilfe holen! Denn wenn du das Handy oder den Controller gar nicht mehr oder nur mit viel Überreden aus der Hand legen kannst, du aus dem Rabbithole nicht herausfindest, die Nächte durchmachst oder gar nicht mehr alle Viere gerade sein lassen kannst, ist’s nicht mehr gesund.


💡Hier bekommst du Hilfe:

Anlaufstellen zur Jugendberatung & Jugendinfo

Hamburger Notfallkontakte für Kinder und Jugendliche - Titelblatt © JIZ HamburgNotfallkontakte - wenn du ganz dringend Hilfe und Rat brauchst (für dich selbst oder weil du dir Sorgen um jemanden anderes machst).

Gesunde Mediennutzung: Tipps für Jugendliche unter ins-netz-gehen.de


 

 

Weitere Infos:

Online am Limit - finde deine digitale Balance: Dazu hat sich Lars aus der JIZ-Redaktion zum vergangenen Safer Internet Day (SID) 2023 Gedanken gemacht. In seinem Beitrag findest du Tipps für eine digitale Balance und Infos für ein Safer Internet.

Von klicksafe: Heute schon abgeschaltet? Finde deine digitale Balance

 


Text: Jessica aus der JIZ-Redaktion

Bild: © Jan Vašek auf Pixabay

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