SO HAT EIN RICHTIGER MANN ZU SEIN

Wenn das Patriachat Männer krank macht - heilt sie der Feminismus

 

Hast du es auch schon gehört oder gelesen? Viele junge Männer haben ein überholtes Bild vom Mannsein und einige werden Frauen gegenüber handgreiflich, um ihnen Respekt einzuflößen. Das sind Ergebnisse einer Umfrage, die von der Plan International Deutschland e.V. beauftragt und im März 2023 durchgeführt wurde. In der standardisierten schriftlichen Online-Befragung mit Menschen zwischen 18 und 35 Jahren, ging es u.a. um Rollenverteilung in Beziehungen, Umgang mit Gefühlen, Gewaltanwendung, Gesundheit und Umgang mit Problemen.

Hier geht es zur Umfrage von Plan International: So wird Männlichkeit in Deutschland gelebt

Du findest im Netz und den sozialen Netzwerken jede Menge gute Beiträge, welche die Ergebnisse (durchaus auch kritisch) beleuchten. Wir stellen dir am Ende des Beitrags eine Leseliste zusammen.


Stereotypen: Sinn und Gefahr

Wie kommt es dazu, dass 2023 noch immer Vorstellungen vom Mann- und Frausein kursieren, die so gar nicht mit Gleichstellung zusammenpassen? Ich kann mir vorstellen, dass dahinter der Wunsch nach Ordnung und Struktur steckt. Stereotypen vereinfachen und generalisieren unsere Vorstellung von Geschlechtern. Sie weisen ihnen Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Merkmale zu. Und das nicht bloß aus biologischen Gründen, sondern vielmehr auf Basis von Erziehung, individuellen Erfahrungen, kulturellen Überzeugungen oder weil es uns in den Medien ständig so gezeigt wird. Sie vereinfachen die sonst so komplexe Welt. Derlei Schablonen von Mann und Frau können zur Orientierung dienen. Es führt aber zu Vorurteilen und Diskriminierung. Denn Stereotypen sind übergeneralisiert, ungenau und unfair.


Nahaufnahme Gesicht mit Sonnenbrillen. In den Gläsern ist das Logo von Instagram eingelassen. © Pixabay/Gerd AltmannIm Beitrag ANTIFEMINISMUS haben wir uns bereits mit stereotypischen Vorstellungen von Geschlechterrollen in den sozialen Netzwerken auseinandergesetzt.


 

Überholtes Rollenverständnis von Mann und Frau

Männer sind typischerweise stark, rational, aggressiv und aktiv. Frauen schwach, emotional, passiv und pflegend. Really? Komm schon, das glaubst du nicht auch? Gemäß diesen traditionellen Geschlechterrollen sind die Männer den Frauen und nicht-binären*-, trans*- und inter*-Menschen überlegen. Mit diesem Denken entstehen patriarchale Strukturen, in denen Männer einen überproportionalen Anteil an politischer Macht, wirtschaftlicher Kontrolle und gesellschaftlichem Einfluss haben. Patriarchale Strukturen führen deshalb zu einer systematischen Benachteiligung von Frauen und queeren Menschen.

Wer für Geschlechtergerechtigkeit steht, setzt sich für die Stärkung von Frauenrechten und Chancengleichheit für Menschen unabhängig ihres Geschlechts ein.

Patriarchale Ausprägungen und ‚traditionelle‘ Geschlechterrollen sind demokratiegefährdend. Denn wenn die Hälfte der Bevölkerung der anderen Hälfte untergeordnet wird, so hat das nicht viel mit den Grundsätzen der Freiheit, Gerechtigkeit und der Wahrung der Menschenrechte zu tun.

Ich bin eine Frau. Eine Feministin. In Sachen Gleichberechtigung ist noch viel zu tun. Dafür setze ich mich ein. Denn die Gleichstellung der Geschlechter ist der Grundpfeiler einer gerechten und stabilen Gesellschaft. Aber ich bin ehrlich: Ich dachte (oder wünschte), wir seien da schon sehr viel weiter. Mich erschreckt es, dass viele junge Männer es ok finden, wenn ihnen bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.

 

enlightenedWICHTIG

Wenn du unter Gewalt leidest oder weißt, dass ein anderer Mensch davon betroffen ist, findest du in unserer Rubrik Konflikte und Gewalt Anlaufstellen und Infos. Insbesondere will ich dir das Faltblatt in Form eines Handys - unser Notfallhandy ans Herz legen.

 

Auch finde ich es schade, dass noch mehr Männer sich eigentlich oft traurig, einsam oder isoliert fühlen, aber ihre Gefühle niemals äußern würden, weil diese zu zeigen sie schwach und angreifbar machen würde. Das muss doch echt nicht sein. Du brauchst kein draufgängerischer Mann mit Muskeln wie Hulk zu sein. 77 Prozent der befragten Frauen der oben genannten Umfrage finden im Übrigen, dass jeder Mann inzwischen wissen sollte, welches Verhalten in Sachen Gleichberechtigung von ihm erwartet wird. Ich spreche daher nicht nur für mich persönlich, wenn ich mir einen glücklichen Menschen an meiner Seite wünsche, mit dem ich die Aufgaben, die das Leben bereithält, teile. Auf Augenhöhe, selbstverständlich gewaltfrei und im kommunikativen Austausch.

Ich habe aber das Gefühl, dass wir Menschen in Sachen Gleichberechtigung riesige Schritte rückwärtsgehen. Aber nicht (nur), weil es Strukturelles gibt, dass ein Vorwärts unmöglich macht. Nein, das Problem steckt in den Köpfen vieler Menschen. Was ich lange als Minderheiten-Denken in Sachen Gleichberechtigung hielt, manifestiert sich so langsam zum Narrativ. Es sind die Basics der Gleichberechtigung, über die wir reden müssen.

Das Video von SWR Plus mit Lisa und Lena zeigt: Wir sind doch eigentlich auf einem guten Weg in Sachen Gleichberechtigung – lasst ihn uns bitte weitergehen.


 

Warum das Patriachat Männer krank macht

Um sich selbst mit dem Etikett des ‚echten‘ Mannes zu schmücken, braucht es ja auch einen Gegenspieler. Klar, die Frau. Aber auch angeblich ‚verweichlichte‘ oder ‚feminine‘ Männer oder queere Menschen werden als Anti-Beispiele herangezogen. Ein erheblicher Anteil der Männer aus der genannten Umfrage gibt an, abwertende Bemerkungen gegenüber Männern zu machen, die nicht ihrem Bild vom Mannsein entsprechen. Abwertende Aussagen, Witze oder Sprüche über Männlichkeit und sexuelle Orientierung sind die Folge.

Ein überholtes Männlichkeitsverständnis führt vor allem zu hohem Erwartungsdruck. Schließlich lassen diese Schablonen ja wenig Spielraum. Dadurch werden Männer daran gehindert, sich so zu geben, wie sie sind und ein freies Leben zu führen. Sie stehen stattdessen unter dem ständigen Druck, einem vermeintlichen Ideal zu entsprechen und dauernd im Wettbewerb mit anderen Männern zu stehen. Empirische Studien zeigen, dass dieses Geschlechtsrollenverständnis erheblichen Stress auslöst. Das wird in der Forschung Geschlechtsrollen-Stress-Modell genannt.

Klingt nicht gesund – ist es auch nicht. Irgendwann braucht es ein Ventil, damit der Druck nachlässt. In der Suchtforschung wird der übermäßige Konsum von Suchtmitteln als männerspezifische Bewältigungsstrategie identifiziert. Und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) gibt an, dass „starke Stressbelastungen oder Depressionen bei Männern in Deutschland seltener diagnostiziert werden als bei Frauen, doch rund drei Viertel aller vollendeten Suizide auf Männer entfallen“, so die BZGA. Das gibt zu denken, oder?

enlightenedWICHTIG

Du möchtest endlich raus aus der Sucht, weißt nur einfach nicht wie? Vielleicht bist du auch gar nicht selber betroffen, sondern leidest unter dem Suchtverhalten von jemandem, der/die dir nahesteht oder machst dir einfach Sorgen um diese Person. Dann findest du in unserer Rubrik Im Rausch: Drogen, Sucht, Abhängigkeit Anlaufstellen und Infos.


 

Warum Feminismus Männern hilft

Im Video von „Auf Klo“ spricht Tarik Tesfu darüber, wieso Feminismus für alle Menschen gut ist.

Gleichberechtigung setzt sich nicht nur dafür ein, dass Frauen und Männer Gleiches tun dürfen und gleiche Rechte und Chancen haben. Nein, es geht auch um die Verteilung der Verantwortung. Um Aufgabenteilung und gemeinsames Bewältigen von Herausforderungen. Es geht nicht nur um Rechte, sondern insbesondere um Verantwortung. Frauen wollen nicht nur entscheiden, was und wie sie arbeiten. Sie wollen gleichwertige Gestalterinnen unserer Gesellschaft und Demokratie sein. Mit all seinen Konsequenzen. Der Mann soll nicht nur Macht abgeben. Er hat auch ein Recht darauf, die Verantwortung nicht alleine zu tragen. Und das bedeutet Entlastung.

Du kannst ja trotzdem Muskeln haben und hetero sein. Aber du darfst und sollst Macht und Kontrolle abgeben. Dir zuliebe. Und auch für eine gesunde Demokratie und Gesellschaft.

 


 

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Bildnachweise:
Titel: ©OpenClipart/pixabay; Bild bei Beitrag Antifeminismus ©Gerd Altmann/pixaby; 

Text von Jessica aus der JIZ-Redaktion.

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