Man hat viel gesehen und viel erlebt Gedanken über Flucht, Angst und Gewalt
von Akho
(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Wir leiden unter einem Kriegstrauma. Wir haben in jungen Jahren schon viele Sachen erlebt, die manch einer nicht in fünfzig Jahren erlebt. Wir haben vieles verloren, vor allem Familie und Freunde. Wir sind ständig dabei, ums Überleben zu kämpfen, und haben keine Zeit, vernünftig zu leben. Man will sich integrieren und etwas aus sich machen, doch zuerst muss das Trauma beiseitegeschafft werden. Man will sein Trauma verarbeiten, aber es ist nicht so einfach, sich an die Vergangenheit zu erinnern. Es gibt Momente, in denen man sich an das erinnert, was geschehen ist, und das führt zu Angstzuständen. Aber auch zu aggressivem und gewaltvollem Verhalten.
Wir versuchen, unsere Schmerzen und Gefühle in den Griff zu bekommen, damit wir keine Straftaten begehen und nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten, doch trotz der Angst, kriminell zu werden und in einem falschen Umfeld zu landen, ist es doch geschehen.
Ja, es stimmt: Wir sind kriminell. Und, ja, es stimmt: Wir sind hinter Gittern. Doch was wäre, wenn es nicht geschehen wäre? Es wäre alles nur schlimmer geworden. Wir nutzen die Zeit, lernen aus unseren Fehlern und mehr über uns selbst.
Wir wünschen uns, dass kein Mensch das erleben muss, was wir erlebt haben, doch für uns ist dies Schicksal. Wir sind für alles dankbar, was Gott, der Allmächtige, uns gegeben hat. Wir sind dankbar, dass wir eine zweite Chance bekommen haben. Doch wir haben nicht nur Schlechtes erlebt, sondern auch Gutes. Auch wir wollen Familien gründen und auf beiden Beinen stehen. Aber kein Mensch ist ein Engel. Der Knast hat uns vieles gezeigt und uns die Augen geöffnet. Hat uns gezeigt, was richtig und falsch ist und was das richtige Leben draußen ist. Die Zeit in Haft war vielfältig und manchmal auch besonders, doch das kam selten vor. Es gibt auch viele Dinge, die unsere mentale Stärke auf die Probe stellen, nicht nur die lange Zeit.
Es gibt Personen, die sagen, dass wir Ausländer, die wir ohne jede Sprachkenntnisse in ein fremdes Land kommen, mit unserem Verhalten und schlechtem Einfluss auf die Jugend andere beeinträchtigen. Aber wo haben wir das gelernt? Auch von den Beleidigungen und Abwertungen Einheimischer. Von alleine kommt sowas nicht.
Trotz allem, was leider geschehen ist, fassen wir den Entschluss, dass wir uns nicht kleinkriegen lassen, nicht von Kraftausdrücken und auch nicht von Sticheleien, die über den Tag so anfallen. Wir wollten nie was Böses und nie jemanden schlecht beeinflussen. Aber das Schicksal nimmt alles in Kauf.
Mehr über das Schreibprojekt HAFTNOTIZEN, die Schreibtrainerin Tania Kibermanis sowie die Bedingungen, unter denen die Texte entstehen, erfährst du auf der Startseite der Haftnotizen.
Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.
Bildnachweis: Landschaft mit wildem Himmel (Aquarell-Zeichnung) © Akho; entstanden im Kunstprojekt STABIL der JVA Hahnöfersand