Würde ich als V-Mann arbeiten können?
von Mr. Afro und Akho
(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
Ich würde kein V-Mann sein wollen. Weil ich keine Menschen verraten kann. Selbst wenn es ein guter Job wäre und gut bezahlt. Würde mich die Kohle denn glücklich machen? Würde meine Gesundheit davon besser? Und was würde der Typ, den ich verraten habe, mit mir machen? Mit meiner Familie? Man muss schon richtig schlau sein und richtig dreckig, um das zu machen – ich könnte es nicht.
Ich kann nicht mit den Herzen spielen und die Leute täuschen. Ich bin ein ehrlicher Mensch und will auch für meine Familie ehrlich bleiben. Wenn ich als V-Mann arbeiten würde, müsste ich auch meine Familie und meine Eltern belügen, obwohl sie mich vertrauensvoll großgezogen haben. In meiner Familie habe ich gelernt, keine Freunde zu verraten. Freunde gehören bei uns mit zur Familie.
Was heißt V-Mann für mich? Verräter. Wenn ich wüsste, dass ein Freund von mir ein richtig schlimmes Verbrechen begehen will, würde ich zuerst versuchen, es selbst zu verhindern. Ihn festhalten zum Beispiel. Wenn ich das nicht schaffe, würde ich dann doch die Polizei zu Hilfe holen. Mein Kodex sagt: Ich verrate niemanden bei der Polizei. Würde ich für einen Geheimdienst arbeiten, würde ich den Verrat nicht ganz so schlimm finden, aber ich würde es trotzdem nicht machen, weil ich dann mit jemandem Freundschaft schließen müsste, um ihn später zu verraten. Das finde ich moralisch nicht ok, und damit wäre ich mir selbst nicht treu.
Um Menschen zu helfen, und wenn ich weiß, dass ich das Richtige tue – nur dann würde ich jemanden verraten. Sonst würde ich mit meinem Gewissen nicht klarkommen, wenn ich wüsste, dass jemand was Schlimmes tut, was ich verhindern könnte. Es kommt eben darauf an, was jemand tut. Wenn einer Kinder vergewaltigt, dann ist das zu krass. Aber wenn einer klaut – den würde ich nicht verpfeifen.
Mehr über das Schreibprojekt HAFTNOTIZEN, die Schreibtrainerin Tania Kibermanis sowie die Bedingungen, unter denen die Texte entstehen, erfährst du auf der Startseite der Haftnotizen.
Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.