Sind unsere Wälder noch zu retten

Wie können wir Forstwirtschaft und Naturschutz zusammenbringen?

.

Holz ist eine wichtige Ressource, ein Wirtschaftsgut das wir weiterhin benötigen. Aber wir müssen die Menge, die wir verbrauchen neu regulieren, wenn wir nicht wollen, dass wir in Zukunft durch Holzplantagen viele Waldflächen in Deutschland verlieren.

 

Forstwirtschaft

Die Forstwirtschaft muss sich neu ausrichten und mit naturbelassenen Mischwäldern arbeiten. Dann gehören die großen, den Waldboden zerstörenden Maschinen der Vergangenheit an und das Zugpferd rückt wieder in den Fokus. Das wird aber nur funktionieren, wenn wir unseren riesigen Bedarf, teils politisch geweckt durch Holz als CO2 neutralen Baustoff, überdenken. Muss Holz als günstiges, CO2 neutrales Heizmaterial herhalten? Unser Jahresverbrauch in Deutschland beträgt ca. 120 Millionen Kubikmeter Holz. Die Hälfte davon, nämlich 60 Millionen Kubikmeter, verbrennen wir. Tendenz steigend! Kommunen betreiben Holzkraftwerke und selbst Kohlekraftwerke sollen vorrübergehend auf Holz umgestellt werden, obwohl die Wissenschaft sagt, dass Holz schmutziger in der Verbrennung ist als Kohle.

Das vorab gebundene CO2 gelangt dann bei der Verbrennung wieder in die Atmosphäre. Trotzdem gilt das Verbrennen von Holz als klimaneutral, da Bäume ja wieder neu angepflanzt werden können. Ein neugepflanzter, schnellwachsender Baum benötigt aber mindestens 80 Jahre, um die gleiche Menge an CO2 wieder zu speichern. Ob das aufgrund der klimatischen Veränderungen und den großen Problemen in der Aufforstung so einfach zu schaffen ist, ist eine düstere Wette auf die Zukunft.

 


Alternativen für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer

Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sollen und müssen weiterhin die Möglichkeit haben, mit ihren Waldflächen Geld zu verdienen. Sie besitzen einen Großteil der Waldflächen in Deutschland und wir als Gemeinschaft benötigen einen intakten Wald, um den Auswirkungen des Klimawandels besser begegnen zu können. Es wäre daher wünschenswert, möglichst viele von ihnen zu überzeugen, statt mit Forstwirtschaft mit der Erhaltung des Ökosystems Wald Geld zu verdienen. Auch führende Ökologinnen und Ökologen halten diesen Ansatz für sinnvoll. Statt mit dem Anpflanzen von nichtheimischen Baumarten zu riskieren, dass wir auch in Zukunft wieder große Waldflächen verlieren, sollten wir dem Wald Zeit geben, sich zu erholen. Per Satellit können Temperaturen von Ökosystemen gemessen werden. Umso kühler eine Waldflächen ist, um so intakter ist ihr Ökosystem und Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer können mit Fördergeldern entlohnt werden. Die Finanzierung dieser Fördergelder könnte aus einer CO2 Abgabe auf Holz finanziert werden.

Ein Vorzeige-Beispiel ist Loki Schmidts ehemaliger Acker am Brahmsee. Sie hatte ihn 1976 gekauft und die Fläche seither sich selbst überlassen. Aus Magerrasen und Gebüsch hat sich inzwischen ein Wald entwickelt, der sich immer weiter verändert. Zu Beginn war der Wald von Birken und Pappeln geprägt. Jetzt setzen sich zunehmend Bergahorn, Stieleiche und Rotbuche durch. Auch im Alten Land bei Hamburg darf sich seit 60 Jahren ein Wald vollkommen ohne menschliches Einwirken entwickeln. Die Loki Schmidt Stiftung hat mit Hilfe von Spenden, diese und auch andere Flächen erworben oder geschenkt bekommen, um sie so vor Abholzung und Zerstörung zu bewahren. So entstehen überall im Wald kleine unberührte Waldflächen. In Hamburg kannst du dir eine solche Wildinsel am Reinbeker Redder in Hamburg-Bergedorf ansehen. Ein entstehendes Espen-Birken-Pionierwäldchen findest du in Lemsahl-Mellingstedt.

 

 

Der Wald kühlt unsere Landschaft

Ein intakter Laubmischwald kann seine Umgebungstemperatur im Vergleich zu einer Kiefer- oder Fichtenplantage im Schnitt bis zu zehn Grad zur durchschnittlichen Höchsttemperatur herunterkühlen. Das schafft der Wald durch Verdunstung. Da es den Bäumen auch bei uns zu heiß ist, ändern sie durch Verdunstung das lokale Klima und kühlen so unsere Landschaft. Auch regnet es über diesen Waldgebieten mehr als im Durchschnitt.

Und genau dieses Phänomen wird für uns hinsichtlich des Klimawandels extrem wichtig werden. Wir müssen uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnen auf extreme Hitzeperioden einstellen. Da ist es überaus wichtig Gebiete zu haben, die selbständig in der Lage sind, sich herunter zu kühlen. Und diese Flächen können gar nicht groß genug sein.

 

Eine kleine Chance für unser Ökosystem Wald – Der Versuch eines „echten“ Naturschutzgesetzes seit über 20 Jahren

Das EU-Renaturierungsgesetz, also eine EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, soll ein Meilenstein in Sachen Naturschutz werden und wird gerade im EU-Parlament beraten. Ob das Gesetz dann auch verabschiedet wird, steht noch nicht fest. Es gibt noch viele Hürden zu überwinden wie z.  B. den Widerstand aus der Agrarlobby. Mit dem Europäischen Green Deal und einer von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angeregten EU-Biodiversitätsstrategie mit dem Ziel einer Gesetzesvorlage mit verbindlichen Renaturierungszielen von Ökosystemen, könnten wir vielleicht ein Stück weiterkommen in der Erhaltung und Wiederherstellung unserer Natur.

Aber man darf auch nicht zu optimistisch sein, denn erstens ist das Gesetz noch in der Abstimmungsphase und muss vielen Herausforderungen trotzen und zweitens werden die seit vielen Jahren bestehenden EU-Naturschutzgesetze wie z. B. die „Natura 2000-Schutzgebiete“ entweder nicht richtig umgesetzt oder mit Tricks umgangen. Was fehlt, ist eine unabhängige Überprüfung von Wissenschaftlern.

Aber trotz allem birgt es eine riesige Chance, der Erhaltung unserer Natur ein Stück näher zu kommen. Wichtig dabei ist ein anhaltendes und großes Interesse seitens der Gesellschaft für die Fortschritte bei der Entwicklung und Verabschiedung des Gesetzes.

Über den Stand der Gesetzesvorlage kannst du dich auf der Website von Jutta Paulus informieren:

 

EU-Renaturierungsgesetz: Countdown für mehr Naturschutz in Europa - Jutta Paulus (jutta-paulus.de)

 

Der Wald erwacht - Wie Wälder unser Klima retten können - Jutta Paulus (jutta-paulus.de)

 

Fazit

Einige Forstwissenschaftlerinnen und Forstwissenschaftler glauben noch immer, den Wald besser managen zu können als die Natur. Aber in Zeiten des Klimawandels muss die industrialisierte Forstwirtschaft, in der Bäume wie Getreide angebaut werden, der Vergangenheit angehören. Forstwirtschaft muss sich den Realitäten im Wald und auch der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung stellen. Monokulturen haben ausgedient. Diversität ist die Zukunft. Wir dürfen Bäume nicht nur als Ressource oder Wirtschaftsgut betrachten, sondern als Teil eines gigantischen Ökosystems, dessen Vielfalt wir nur in Teilen verstehen. Zum Beispiel ist die Biodiversität im Wald nur im Ansatz erforscht. Bei kleinen Organismen wie Bakterien und Pilzen sind 85 bis 90 % der Arten nicht bekannt. Das Ökosystem Wald leistet enormes und muss in seiner ganzen Leistungsfähigkeit erhalten werden. Und nicht nur das. Unsere Waldflächen sollten in Zukunft vergrößert werden. In Deutschland gibt es fast so viele Flächen der konventionellen Landwirtschaft, die sich auf die Erzeugung von Tierfutter spezialisiert haben wie Waldgebiete, ca. 100 000 Quadratkilometer. Es würde sich eine Umgestaltung von landwirtschaftlich genutzten Flächen anbieten, wenn wir es schaffen, unseren Fleischkonsum zu reduzieren. Dann könnte ein Teil dieser Flächen als Waldgebiete genutzt werden. Die Landwirtinnen und Landwirte würden dann auf diesen Flächen als Klimaschützerinnen und Klimaschützer mir der Pflege des Ökosystems Wald in dem oben erwähnten Ansatz Geld verdienen.

Wir müssen als Gesellschaft lernen, mit der Ressource Holz verantwortungsvoller umzugehen. Wir müssen weniger Holz produzieren und mehr geschützte Waldflächen ausweisen. Darüber hinaus dürfen wir uns nicht dazu verleiten lassen, die fehlenden Holzmengen aus anderen EU-Ländern zu importieren. Denn dann würden wir die Probleme nur in andere Länder verlagern und dafür sorgen, dass in anderen Gebieten Europas Waldflächen verschwinden. Ein leistungsfähiges Ökosystem Wald benötigen wir aber überall auf der Welt. Die Lösung liegt wie bei so vielem in Sachen Klima- und Umweltschutz im reduzierten Konsum.

 


 

 

Hörtipp

Ein spannender Podcast zum Thema Organisiertes Verbrechen mit dem Titel „Gestohlener Wald“ von den NDR-Investigativ-Journalisten Benedikt Strunz und Marcus Engert.

 

Organisiertes Verbrechen

Holz wird in großen Mengen illegal in geschützten Wäldern in Rumänien geschlagen und dann in EU-Länder, auch Deutschland geliefert. Die Überprüfung von Herkunftszertifikaten durch den Zoll ist fast nicht möglich und so konnte sich in den letzten Jahren in Europa eine Holzmafia etablieren, deren Geschäftsumfang auf Rang drei hinter Drogenhandel und Markenfälschungen liegt.

Einführung durch Benedikt Strunz:

11KM: der tagesschau-Podcast · Holzmafia: Der große Wald-Raub · Podcast in der ARD Audiothek

Die Reportage:

Organisiertes Verbrechen - Recherchen im Verborgenen | NDR.de - Nachrichten - NDR Info

 

Filmtipp

„Das geheime Leben der Bäume“, ein Dokumentarfilm von Jörg Adolph und Jan Haft, Deutschland 2020

Der Film gibt einen beeindruckenden Einblick in das Ökosystem Wald.

 

 

Quellen:

 


 

Bildnachweise:

Waldweg: Bild von bertvthul auf Pixabay

Baumstämme: Bild von JamesDeMers auf Pixabay

Wald: Bild von Pexels auf Pixabay

 

 

Ein Beitrag von Sven aus der JIZ-Redaktion

top