Der Hamburger Jugendserver

Wie sieht unser Leben nach der Entlassung aus?

von Che23 und ZazaMonaco

(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

Che23: Am ersten Tag meiner Entlassung würde ich natürlich zu meiner Familie nach Hause gehen und meine Mutter fragen, ob sie mir Manti (mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen, Anm. d. Red.) machen könnte. Nachdem ich mit meiner ganzen Familie gegessen habe, würde ich eine Ziese rauchen und mich dann in mein 1,60 x 2m Boxspringbett legen, in dem ich bis jetzt noch kein einziges Mal geschlafen habe. Am nächsten Tag würde ich frühstücken gehen, draußen sitzen und danach zum Friseur. Dann ins Solarium und später am Abend dann mit Freunden unterwegs sein.

Wenn ich nach drei Jahren entlassen werde, fange ich an zu arbeiten. Ich werde als erstes meinen Führerschein machen, um mobil zu sein. Dann werde ich mir eine Wohnung besorgen. Um meinen Traum zu verwirklichen, werde ich anfangen, mein Geld zu sparen. Ich werde weiterhin mit ZazaMonaco in Kontakt bleiben und ihn während seiner restlichen Haftzeit unterstützen, da er neun Monate mehr als ich bekommen hat. Nachdem er entlassen worden ist, fliegen er, mein Freund und ich in den Urlaub und genießen dann die Sonne an der türkischen Riviera. Wir – also ZazaMonaco und ich – wollen dann auch noch nach Kuba reisen und erstmal das Leben mit Cocktails und Cohibas in der Hand genießen. Wir beide haben ein paar Geschäftsideen (legale!), womit wir uns selbstständig machen möchten. Eine Bar an der türkischen Küste wäre aber auch nicht schlecht.
 


ZazaMonaco: Wenn ich nach drei Jahren und neun Monaten entlassen werde, fahre ich erstmal nach Hause zu meiner Familie. Da ich denen nicht sagen werde, wann genau ich entlassen werde, möchte ich meine Eltern überraschen. Ich werde mit einem Blumenstrauß vor unserer Haustür stehen, klingeln und warten, bis jemand die Tür aufmacht. Wenn die Tür dann aufgeht, rufe ich: „Überraschung! Ich bin da. Und ich bin sehr glücklich, meine Familie wiederzusehen.“ Dann umarme ich alle, setze mich zu ihnen, und wir trinken einen Tee. Wir unterhalten uns über die Vergangenheit, kochen was zusammen und essen alle gemeinsam. Und am Abend gehe ich mit meinen Kollegen einen Spaziergang machen – und wir freuen uns auf die zukünftige, gemeinsame Zeit.

Während der Haft habe ich auch gemerkt, wer die wahren Freunde sind – die, die sich bei mir gemeldet, mir Briefe geschrieben und sich um meine Familie gekümmert haben. Meine engsten Freunde, die auch immer noch an meiner Seite stehen, besuchen meine Eltern nach wie vor zweimal die Woche, helfen beim Einkaufen und bringen Blumen und Geschenke. Dafür bin ich sehr dankbar.

Ich hoffe auch, dass ich in der Zukunft eine nette Freundin fürs Leben finde, mit der ich glücklich bin und die ich vielleicht sogar irgendwann mal heiraten werde. Ich möchte gerne eine Familie gründen, wenn ich genügend Geld verdiene, wenn ich einen guten Job in der Lagerlogistik gefunden habe.
 


enlightenedMehr über das Schreibprojekt HAFTNOTIZEN, die Schreibtrainerin Tania Kibermanis sowie die Bedingungen, unter denen die Texte entstehen, erfährst du auf der Startseite der Haftnotizen.


Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.
Bildnachweis: Herzkurve (Aquarell) © Lukas Santos / entstanden im Kunstprojekt STABIL der JVA Hahnöfersand

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